Interview mit Dr. Anette Wahl-Wachendorf: Umgang mit Cannabis in Unternehmen

Seit dem 1. April ist der Besitz und Konsum von Cannabis teilweise legalisiert. Worauf Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt achten müssen, erklärt Dr. Anette Wahl-Wachendorf, ärztliche Direktorin des Arbeitsmedizinischen Dienstes (AMD) der BG BAU GmbH. Weitere Informationen zur neuen Regelung stellt die BG BAU in einem FAQ bereit.

Porträtaufnahme von Frau Dr. Wahl-Wachendorf

Bildquelle: guidokollmeier.com

In Folge der Teillegalisierung könnten zukünftig mehr Beschäftigte als bisher Cannabis konsumieren. Aus Ihrer Erfahrung als Arbeitsmedizinerin: Wie erkennt man, ob jemand unter dem Einfluss von Cannabis steht?


Die Wirkung von Cannabis hängt stark von der Menge des Konsums, von der Konstitution des Einzelnen und davon ab, ob ein regelmäßiger Konsum stattfindet.

Cannabis verändert direkt nach dem Konsum die Stimmungslage. Hier sind alle Richtungen möglich, das heißt, es kann sowohl eine plötzlich sehr fröhliche als auch eine niedergeschlagene Stimmung entstehen. Außerdem können gerötete Augen, verlangsamte Reaktionszeiten, verminderte Koordination und der typische Geruch von Cannabis darauf hinweisen, dass jemand unter Cannabis-Einfluss steht.

Warnsignale für das soziale Umfeld können ein Leistungseinbruch verbunden mit häufiger Verspätung und unentschuldigtem Fehlen sein. Insgesamt fallen chronische Konsumenten häufig dadurch auf, dass sie insgesamt in ihrer Persönlichkeit „verändert“ sind.

 

Welche Gefahren bestehen, wenn Beschäftigte während der Arbeit unter dem Einfluss von Cannabis stehen?


Der Konsum von Cannabis kann ähnlich wie Alkoholkonsum dazu führen, dass man sich und andere gefährdet. Die Wahrnehmung, die Reaktionsfähigkeit und das Urteilsvermögen können eingeschränkt sein. Dies kann zu Fehlern bei der Bedienung von Maschinen und anderen Arbeitsgeräten führen, was wiederum zu Unfällen führen kann.

Neben der berauschenden Wirkung direkt nach dem Konsum sind Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem und die Psyche belegt. Besonders ausgeprägt sind diese Wirkungen bei Jugendlichen.

 

Kann es schon gefährlich sein, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter am Vorabend gekifft hat?


In der Regel ist die berauschende Wirkung am nächsten Tag abgeklungen. Auswirkungen auf die psychische Verfassung des Konsumenten können aber weiterhin bestehen. Hier ist die Menge des Konsums sowie das Zusammenspiel etwa mit Alkohol entscheidend.

 

Was sollten Arbeitgeber tun, wenn sie auf einen berauschten Mitarbeiter stoßen? Schließlich haben sie ihren Beschäftigten gegenüber ja eine Fürsorgepflicht. Müssen sie zum Beispiel für einen sicheren Heimweg sorgen?


Arbeitgeber habe eine klare Verpflichtung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in einem solchen Zustand befinden – unabhängig welcher Ursache – nicht arbeiten zu lassen. Im Rahmen der Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber in der Tat für einen sicheren Heimweg des Mitarbeiters sorgen.

 

Wie können Chefinnen und Chefs am besten mit der neuen Gesetzeslage umgehen?


Wir empfehlen den Arbeitgebern, sich klar und offensiv zum Thema zu positionieren. Alkohol und andere Drogen haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen. Das gilt ganz besonders für Tätigkeiten in der Höhe und auf Gerüsten oder beim Bedienen von Baumaschinen. Bei diesen Tätigkeiten kann es fatale Folgen haben, wenn die Reaktionsfähigkeit der Beschäftigten durch Rauschmittel eingeschränkt ist.

Ein guter Gesundheits- und Arbeitsschutz beruht darauf, dass der Arbeitgeber eine klare Haltung zeigt und diese in seiner Vorbildfunktion auch vorlebt. Dazu gehört, die Mitarbeiter für die Risiken des Cannabiskonsums zu sensibilisieren und verantwortungsvolles Verhalten zu fördern.

 

Zum FAQ „Cannabis-Legalisierung und Arbeitsschutz – die 11 wichtigsten Fragen und Antworten“